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Apocalyptica
Biografie / Portrait
 
Von einer finnischen Coverband zu einer der originellsten Metal-Bands der Welt - für APOCALYPTICA geht es immer höher, schneller, weiter. Ausverkaufte Häuser säumen ihren Weg, denn APOCALYPTICA gehören zu den interessantesten Live-Attraktionen des Planeten und schließen die gigantische Lücke zwischen Schostakowitsch und Metallica, Konzertsaal und Rockclub, Smoking und Nietengürtel. Mit "Amplified - A Decade of Reinventing The Cello" veröffentlicht man nun eine Werkschau aus den ersten 10 Jahren einer Karriere, die es nach den strengen Maßstäben des Musikgeschäfts eigentlich gar nicht hätte geben dürfen.


"Ich habe den Eindruck, dass die meisten Journalisten sich schon vor Jahren festgelegt haben, ob sie uns mögen oder nicht. Einige halten uns für einen Witz und wollen sich nur bestätigt fühlen, wenn wir ein neues Album veröffentlichen. Unsere Musik ist komplexer, als viele denken. Wir machen etwas Neues, und das stiftet Verwirrung, die sich in Ablehnung oder Zuneigung entlädt." Eicca Toppinen, Hauptkomponist von APOCALYPTICA, ist zum Glück Finne genug (mit anderen Worten: clever, gelassen, dickköpfig und zielstrebig), um sich von vorschnellen Urteilen nicht irritieren zu lassen. Selbst Lob perlt an den selten von Schönwetter verwöhnten Häuptern ab. Und wie oft schon haben Orchestermusiker nach der Show Abbitte geleistet. Die tolle Kondition, die aufregende Bühnenperformance und die irre Geschwindigkeit! Und alles ohne Noten... Unvorstellbar! Eicca: "Es tut sicherlich sehr gut, so etwas zu hören, vor allem von der Sorte Musiker, die uns anfangs vielleicht belächelt hat. Aber wir lassen uns davon nicht zu sehr beeindrucken, genauso wie von der negativen Kritik einiger Nörgler. Ich hätte Angst, dass das in unsere Köpfe steigt und die Band zu beeinflussen beginnt. Wir sind ganz normale Typen und wollen es auch bleiben."


Dabei ist Toppinen längst ein Idol für Tausende von Kids weltweit, die von ihren Eltern zum Klassikunterricht angetrieben werden, in ihrem Lifestyle aber längst die Popkultur von heute absorbiert haben.
"Wir haben etwas im Bewusstsein der Leute ändern können. Denn es ist doch ganz klar, dass Cello-Spielen bislang nicht gerade eine hippe Beschäftigung für Kids ist. Kammermusik, Orchester-Theorie - du musst fast täglich üben und lernen, während andere in deinem Alter Fußball spielen oder ihre ersten Disco-Besuche machen. Wer sich ernsthaft mit einem Instrument beschäftigt, gilt als Sonderling und hat es schwer, akzeptiert zu werden. Aber wir haben neue Wege beschritten, den Geist des freien Musizierens verinnerlicht. Unter den Studenten an der Sibelius-Akademie war es jedenfalls üblich, nebenbei noch Jimi Hendrix auszuprobieren. So ist es ja auch zu der Gründung von APOCALYPTICA gekommen. Wir hatten nichts geplant, es ist einfach so passiert."


Und wenn Perttu Kivilaakso sich zu dem Sepultura-Geholze ´Inquisition Symphony´ - einem absolut tödlichen Cello-Geschredder - mit nacktem Oberkörper wie weiland Jimi Hendrix auf dem Bühnenboden wälzt, dann ist die Essenz von APOCALYPTICA lebendig: Cello Rock´n´Roll pur!


Album Nummer eins ("Apocalyptica Plays Metallica By Four Cellos") schien zunächst nur eine Randnotiz der Hardrock-Geschichte zu werden: Vier Studenten der Sibelius-Akademie in Helsinki führen im Teatro-Heavy-Metal-Club spaßeshalber Metallica-Songs auf. Im Publikum steht Kari Hynninen vom winzigen Independent-Label Zen Garden Records, der den Jungs spontan eine Plattenproduktion für ihr Hobbyprojekt anbietet. Denn eigentlich wollen Eicca Toppinen, Paavo Lötjönen, Max Lilja und Antero Manninen ihr Studium voranbringen und hören Metal - wie Millionen andere Twens auch - in ihrer Freizeit. Stressig ist die Angelegenheit zudem, denn Hynninen hat nicht das Geld für reguläre Studiozeit, und so müssen APOCALYPTICA des Nachts und am frühen Morgen fideln, wenn eine andere Band gerade in den Federn liegt. Doch die Mühe lohnt sich, denn die Metallica-Plattenfirma Mercury zeigt schnell Interesse an den Aufnahmen und übernimmt den weltweiten Vertrieb. Bis heute wurden mehr als eine Million Exemplare dieser Scheibe ausgeliefert! Wahnsinn!
Für Album Nummer zwei ("Inquisition Symphony") lecken die Vier nun richtig Metal-Cello-Blut. Die Celli werden durch Verzerrer und Effekte gejagt, und der Produzent des HIM-Erfolgsalbums "Greatest Lovesongs Vol. 666", Hiili Hiilesma, holt die Band aus der Klassik-Ecke und verpasst dem Album einen modernen Klang. Gecovert werden neben weiteren Metallica-Songs nun auch Sepultura, Faith No More und Pantera. APOCALYPTICA-Leader Toppinen verfasst drei eigene Songs, die sich wie selbstverständlich in das Gesamtbild einfügen. Beim Drittwerk "Cult" spielen dann die Eigenkompositionen endgültig die Hauptrolle. Mit ´Fight Fire With Fire´ wagt sich die Band noch an den Metallica-Nackenbrecher schlechthin und zersägt dabei regelmäßig C-Saiten. Mit dem Einstieg von Perttu Kivilaakso (für Antero Manninen) ändert sich auch das Erscheinungsbild des Quartetts, das sich auf der "Cult"-Tour als wilde Headbanger-Meute in Lack und Leder präsentiert, aber dennoch zwischendurch in Konzertsälen auftritt. Zwei Welten prallen aufeinander.
Der junge Kivilaakso - bestens ausgebildet und mit Herzblut Metal-Fan - bringt eine neue Qualität bei APOCALYPTICA ein. "Ich bin Solo-Cellist im Helsinki Philharmonic Orchestra mit Vertrag auf Lebenszeit und quasi auf einem extrem langen Urlaub. Ich liebe es, verschiedene Dinge auszuprobieren und mich musikalisch in jeder Hinsicht auszudrücken. Der Höhepunkt meiner Karriere war es, Luciano Pavarotti bei seinem Auftritt in Helsinki zu begleiten. Ich liebe italienische Operetten."


Mit mehr als 500 (zumeist ausverkauften) Konzerten in über 60 Ländern (darunter Mexiko, Russland, Japan, USA) avancieren APOCALYPTICA zu Finnlands musikalischem Exportartikel Nummer eins. Damit ist Gründungsmitglied Max Lilja überfordert. Er steigt vor der Produktion von "Reflections" aus. Als Trio komponieren APOCALYPTICA 13 gradlinige Songs, die stellenweise mit Piano, Trompete, Kontrabass und Violine verfeinert und mit zwei Schlagzeugern eingespielt werden. Slayer-Legende Dave Lombardo sorgt für flinke Beats unter kurzweiligen Thrash-Krachern, während ein gewisser Sami Kuoppamäki für die Groove-Fraktion zuständig ist. Zuweilen brechen traurig-schöne Melodien und eine Handvoll Loops den "Cello-Rock" auf. "Reflections" drückt die vorübergehende Verunsicherung der Band aus. "Da geht es um uns selbst, die ängstlichen, jungen Männer aus Helsinki, die nun erwachsen geworden sind. Die Konfrontation, die das Musikgeschäft mit sich bringt. Auf der "Cult"-Tour hatten wir viele Probleme, und "Reflections" soll unsere Aufarbeitung sein. Wir sind der Band beinahe überdrüssig geworden und hätten uns um ein Haar aufgelöst."
Doch gerade wegen dieser Vorkommnisse ist "Reflections" ein starkes, selbstbewusstes Album. Mit dem letzten Studio-Output "Apocalyptica" setzten die drei Finnen noch eins drauf. Die Tracks sind in rund vier Minuten abgehandelt, haben keine Längen und klingen frisch und mit viel Enthusiasmus punktgenau eingefidelt. Auch ein Verdienst des Drummers Mikko Sirén, der mit viel Punch dem Material Leben einhaucht und sogar Dave Lombardo (der noch auf einem Song zu hören ist) beinahe vergessen lässt. Auf der ersten Single ´Bittersweet´ (mit dem Video des finnischen Star-Regisseurs Antti Jokinen) liefern sich die zwei Superstars Ville Valo von H.I.M. und Lauri Ylönen von The Rasmus ein furioses Duell.


APOCALYPTICA sind nicht erst seit ihren Chartplatzierungen gefragt - die Jungs sind seit jeher umworbene Sessionplayer. Ihre Musik wird für Werbespots, Videospiele, Kinofilme und Theaterstücke verwendet. Andererseits nehmen renommierte Vokalisten die Einladungen für Singles der drei Cellisten ebenso gerne an. Für "Amplified - A Decade of Reinventing The Cello" konnte man die brasilianische Metal-Legende Max Cavalera (Soulfly, Ex-Sepultura) und Matt Tuck von den britischen Senkrechtstartern Bullet For My Valentine gewinnen, die sich nahtlos in die Riege großartiger Gastsänger einreihen (siehe Tracklist).


Doch was ist das Erfolgsrezept dieser Band? Was macht dieses klassische Rock´n´Roll-Märchen wahr?
Es ist der immense Hunger der Jungs! Der Wille, immer wieder eine neue Herausforderung anzunehmen, Neuland zu betreten und mit frischen Ideen das Konzept des Cello-Rock zu erweitern. APOCALYPTICA können nicht so einfach kopiert werden. Sie werden eines Tages Legenden sein. Die Originale. Ganz gleich, was Journalisten oder Musikprofessoren davon denken.


Holger Stratmann, Rock Hard Magazine